Persönliche Erklärung zum Abstimmungsverhalten nach § 31 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zu TOP ZP 18, Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Inneres und Heimat (4. Ausschuss) zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. „Konsequenzen aus dem Brand in Moria ziehen – Lager auf den griechischen Inseln auflösen und Geflüchtete in Deutschland aufnehmen“, Drucksachen 19/22264, 19/22579 und ZP 25, Beratung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Nach dem Brand von Moria – Für schnelle Nothilfe und einen menschenrechtsbasierten Neustart der europäischen Flüchtlingspolitik“, Drucksache 19/22679 am 18.09.2020

Die Zustände auf Lesbos und den anderen griechischen Inseln sind bereits seit langem katastrophal. Durch die verheerenden Brände im Flüchtlingscamp Moria hat sich die Situation aber nochmals massiv verschärft. Rund 13.000 Menschen benötigen dringend eine menschenwürdige Unterkunft, grundlegende Verpflegung und medizinische Versorgung.
In enger Kooperation mit der griechischen Regierung leistet Deutschland Unterstützung, um die akute Situation zu entschärfen. Über das THW und das DRK wurden bereits umfangreiche Lieferungen von Sachmitteln bereitgestellt. Weitere werden folgen.

Das reicht aber nicht. Wir müssen die Menschen von den Inseln holen und in Deutschland und anderen europäischen Staaten aufnehmen. In der vergangenen Woche hat Bundesinnenminister Seehofer verkündet, dass Deutschland bereit ist, 150 Minderjährige nach Deutschland zu holen. Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion haben daraufhin in einem Schreiben an Bundeskanzlerin Merkel deutlich gemacht, dass das eine beschämende, absolut nicht angemessene Zahl ist. Wir haben erreicht, dass wir zusätzlich zu den 150 Kindern und Jugendlichen 1.553 Menschen, hauptsächlich Kinder und Familien, in einem eigenständigen Kontingent aufnehmen. Zusammen mit den bereits bestehenden Zusagen sind es ca. 2.750 Personen. Dies haben wir gegen den erheblichen Widerstand unseres Koalitionspartners erreicht. Wir müssen uns entsprechend unserer Größe und wirtschaftlichen Stärke beteiligen. Die Aufnahmebereitschaft vieler Bundesländer und Kommunen in Deutschland zeigt, dass der Wille und die Möglichkeiten in unserem Land vorhanden sind.

Wir brauchen dringend eine grundsätzliche Lösung, damit das unrühmliche Gezerre und die schwerfälligen Verhandlungen in jeder neuen Notsituation ein Ende haben. Alle europäischen Mitgliedstaaten müssen sich solidarisch einbringen. Dazu müssen wir die europäische Flüchtlingspolitik und das Gemeinsame Europäische Asylsystem neu ausrichten. Als SPD-Bundestagsfraktion haben wir dazu vor der Sommerpause einen klaren Beschluss mit konkreten Umsetzungsvorschlägen verabschiedet. Wir müssen weg vom Prinzip der Zuständigkeit des Ersteinreisestaates und brauchen eine gerechte und solidarische Verteilung geflüchteter Menschen auf die einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Und wir brauchen eine dauerhafte Lösung und einen ständigen Hilfsmechanismus, sodass wir nicht bei jeder Notlage erst in schwerfällige Verhandlungen darüber treten müssen, wer wieviel Unterstützung leistet. Nur so schaffen wir eine Entlastung der Staaten an den EU-Außengrenzen und somit auch insbesondere Griechenlands. Daran muss auch auf EU-Ebene weiter mit Hochdruck gearbeitet werden. Die EU-Kommission muss endlich ihre Vorschläge präsentieren.

Wir sehen unsere europäischen Partner weiter mit uns in der Verantwortung. Deshalb werben wir weiter um Unterstützung für die gemeinsame Initiative aufnahmebereiter europäischer Partnerländer. Wir lassen nicht nach, bis in Europa europäisches Recht und europäische Werte auch überall durchgesetzt werden. Wir müssen unsere europäische Ratspräsidentschaft nutzen, um die Idee einer solidarischen europäischen Asylpolitik endlich gemeinsam in die Praxis umzusetzen. Auf eine europäische Lösung darf man nicht warten, man muss für sie arbeiten. Hier ist der Bundesinnenminister gefordert mehr zu tun.

Warum ich dem Antrag der Fraktion Die Linke trotzdem nicht zustimme, obwohl ich doch für die Aufnahme von Geflüchteten in Deutschland bin: Auch mich beschämt und entsetzt das gemeinschaftliche Versagen in Europa. Bei der Abstimmung im Bundestag geht es aber nicht um Symbolpolitik, sondern vielmehr darum, die Aufnahme von Menschen aus Griechenland auch tatsächlich durchzusetzen. Es ist ein Irrglaube, dass die SPD-Bundestagsfraktion einfach nur den Anträgen der Opposition zustimmen müsste und schon kämen die Menschen nach Deutschland. Das Gegenteil wäre der Fall: Damit wäre keinem einzigen geflüchteten Menschen in Griechenland geholfen, Deutschland hätte stattdessen zusätzlich eine handfeste Regierungskrise.

Im Koalitionsvertrag haben sich die Fraktionen von CDU/CSU und SPD auf ein einheitliches Abstimmungsverhalten im Deutschen Bundestag verständigt. Das ist Grundlage jeder Koalition. Diese Tatsache wird von den Fraktionen der Opposition gerne dazu benutzt, um Fraktionen in einer Regierungskoalition vorzuführen.
Im Bundestag haben sich zwei Oppositionsparteien dazu entschlossen, über ihren Antrag jeweils namentlich abstimmen zu lassen. Dabei ist von vornherein klar, dass diese keine Mehrheit erhalten werden. Es gibt derzeit keine linke Mehrheit im Deutschen Bundestag. Wem das nicht gefällt, der muss mit seiner Wahlentscheidung bei der nächsten Bundestagswahl für andere Verhältnisse sorgen.
Im Übrigen ist die Kritik der Grünen an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten. Wer die Hilfeleistungen der deutschen Bundesregierung auf der einen Seite als nicht ausreichend kritisiert, auf der anderen Seite aber als Teil der österreichischen Regierung die menschenfeindliche Entscheidung mitträgt, trotz der großen Not nicht einen einzigen Flüchtling aufzunehmen, hat sich vom seriösen politischen und moralischen Diskurs längst verabschiedet.
Ich weiß, dies ist für die Bürgerinnen und Bürger nur sehr schwer nachvollziehbar, und auch uns Abgeordneten verlangt eine solche namentliche Abstimmung bei wichtigen Themen und vor allem auch bei humanitären Notlagen sehr viel ab. Zur Regierungsverantwortung in einer Demokratie gehört es aber eben auch, getroffene Vereinbarungen einzuhalten.
Unser Auftrag als Regierungsfraktion ist es nicht, symbolpolitischen Oppositionsanträgen zustimmen – was effektiv gar nichts verbessert –, sondern die Möglichkeiten zu nutzen, die uns als an der Regierung beteiligte Fraktion offenstehen und konkrete Lösungen zu entwickeln. Und daran arbeiten wir.